Chamäleon - Colored Interactive

Neues Kesselhaus, Zeche Nordstern

Wandlungsfähig wie ein Chamäleon passt sich Paul Schwers Lichtinstallation an die Formen seines architektonischen Umfeldes an und reagiert auf Interaktionen in seiner Umgebung.

Kunst
Künstler*inPaul Schwer
Entstehungszeit2018–
MaterialGlas, Farbpigmente, LED
VerfahrenWettbewerb unter sieben eingeladenen Künstler*innen
Bau
AdresseFritz-Schupp-Straße
45899 Gelsenkirchen
Bauzeit2015–2018
Architekt*innenJSWD Architekten
BauherrVIVAWEST Wohnen GmbH, Gelsenkirchen
StandortKommunikationsebene
Route in Google Maps
Zugänglichkeit

Das Gebäude ist nicht öffentlich zugänglich, das Kunstwerk aber teilweise vom Außenraum sichtbar.

Karte
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Industriekultur

Vor der Industriekulisse der ehemaligen Zeche Nordstern entstand 2018 der Neubau der Hauptverwaltung der Wohnungsbaugesellschaft Vivawest. Bereits 150 Jahre früher hatte auf dem Gelände im Norden Gelsenkirchens der Steinkohlenabbau begonnen. Architektonisch geprägt wurde das Bergwerk durch Fritz Schupp und Martin Kremmer, die ab 1926 mehrere Betriebsgebäude für die Zeche entwarfen, darunter auch der zwischen 1951 bis 1953 errichtete Förderturm über Schacht 2, der bis heute das Wahrzeichen von Nordstern ist. Nach der Stilllegung des Werks 1993 wurde das Areal für die Bundesgartenschau 1997 neugestaltet. Der denkmalgeschützte Nordsternturm und die umliegenden Gebäude wurden durch den neuen Eigentümer, die Wohnungsbaugesellschaft THS, bis 2003 saniert und zur Hauptverwaltung umgebaut. Der Nordsternturm wurde 2010 um vier gläserne Geschosse aufgestockt und mit dem „Herkules von Gelsenkirchen“, einer 18 Meter hohen Skulptur von Markus Lüpertz bekrönt. Nach der Fusion der THS mit Evonik Immobilien zur Vivawest Wohnen stieg der Raumbedarf, so dass ab 2014 ein neuer Verwaltungsbau als Ergänzung des historischen Ensembles geplant wurde.

Wie eine Flözschicht

An der Stelle des nicht erhaltenen Kesselhauses entstand nach Plänen von JSWD Architekten ein 120 Meter langer Neubau, der sich in Maßstab, Proportion und Materialität an den Gestaltungsmerkmalen des Bestands orientiert und zugleich eine eigene Sprache entwickelt. Die Fassaden der kubischen Baukörper sind streng gerastert. Ihr Rotton ähnelt den Farben des Förderturms und der Stahlprofile der Schuppschen Bauten. Anders als diese verzichteten JSWD allerdings auf die für die historische Industriearchitektur charakteristischen Ziegel und beschränkten sich auf die Materialien Glas und Metall.

Zwischen dem Sockel und den Bürogeschossen liegt die sogenannte Kommunikationsebene, der zentrale Erschließungsbereich, der durch seine verglaste Fassade „wie eine Flöz-Schicht“ (JSWD) auch von außen deutlich ablesbar ist. Gläserne Brücken verbinden in dieser Zone Alt- und Neubau.

Farbige Lichtkreuze

Für die Gestaltung der Wandflächen im Flur der Kommunikationsebene lud Vivawest 2017 sieben Künstlerinnen und Künstler zu einem Kunst-und-Bau-Wettbewerb ein. Ausgewählt wurde die Arbeit „Chamäleon – Colored Interactive“ von Paul Schwer, eine Kombination von interaktiver Lichtkunst und Wandrelief. Über die gesamte Wandfläche verlaufen mehrere, mal aufwärts, mal abwärts gerichtete Elemente, die an Förderbänder erinnern. Ihr schräger, sich an zwei Stellen kreuzender Verlauf bricht mit der strengen Orthogonalität der Architektur und erzeugt eine spannungsvolle Dynamik. Jede der Diagonalen setzt sich aus drei oder vier Reihen farbig bemalter Felder zusammen, deren Maß und Proportion dem Ziegelverbund der historischen Bebauung entlehnt ist. Die insgesamt fast 1.000 Glasflächen sind einzeln mit LED hinterleuchtet.

Bewegung löst Beleuchtungsmuster aus

Das interaktive Farb- und Lichtsystem ist anpassungsfähig wie das namensgebende Chamäleon. „Sensoren in der Decke erfassen die Bewegung der Menschen im Flur und lösen unterschiedlich programmierte Beleuchtungsmuster aus. Jeder, der sich im Flur bewegt, hinterlässt eine von außen sichtbare Komposition aus Licht und Farbe. Je mehr Personen sich im Flur bewegen, desto mehr Kommunikation findet statt und desto komplexer wird die Interaktion im Medium von Licht und Farbe,“ erklärt Paul Schwer. Die Farben können ebenso wechseln wie die Bewegungsrichtung und die Intensität des Lichts. So bilden die leuchtenden „Ziegelsteine“ einen farbigen Akzent im Innenraum und strahlen zugleich weithin sichtbar nach außen.

Besonders inszeniert wurde das Kunstwerk im Rahmen der Extraschicht 2019, als es in einer Choreografie zu einem eigens von Carlo Peters komponierten Soundtrack erleuchtete.

Galerie
Vita

Paul Schwer, geboren 1951 in Hornberg im Schwarzwald, lebt und arbeitet in Düsseldorf. Von 1981 bis 1988 studierte er an der Kunstakademie Düsseldorf als Meisterschüler von Erwin Heerich. Als promovierter Kinder- und Jugendpsychiater gründete er 1984 das interdisziplinäre Kunstprojekt UnArt am Universitätsklinikum Essen, bei dem Kinder in psychiatrischer Behandlung mit Künstler*innen zusammenarbeiten. Paul Schwers künstlerisches Werk umfasst vor allem Installationen mit Licht und farbigem Plexiglas, aber auch Bauteilen wie Holztüren oder Dachlatten. Stipendien und kuratorische Projekte führten ihn unter anderem nach Paris, Shanghai, Istanbul und Saigon. Von 2007 bis 2016 lehrte er an der Kunstakademie Münster.